Tiergestützte Therapie in Senioreneinrichtungen

Die wohltuende Wirkung des direkten Kontakts zu Tieren(nicht nur Hunde!) sind seit langem bekannt. Psyche, Geist und Körper werden angeregt und oft kann über das Tier Kontakt zum Menschen aufgebaut werden. Das funktioniert häufig auch bei sonst sehr verschlossenen Personen. In den letzten Jahren hat man erkannt, wie wichtig Tiere für kranke oder behinderte Menschen sind. Was Therapeuten oft nicht gelingt, schaffen Tiere in Sekundenschnelle: Sie bringen Menschen zum Lachen, geben neuen Lebensmut, regen längst verloren geglaubte oder nicht vorhandene Fähigkeiten an.

Ziele der tiergestützten Therapie?

Sozio-emotionaler/ Psycho-sozialer Bereich:

  • Verbesserung des Selbstwertgefühls, z.B. durch Erreichen selbstgesteckter Ziele
  • Kontaktaufnahme zu Tier und Mensch
  • Abbau von Ängsten
  • Zulassen von Körpernähe
  • Anregen von Kommunikation, Sprache oder Zeichen
  • Motivationssteigerung durch Kompetenzerfahrung
  • Anregen selbstmotivierten Handelns und Lernens, also zu Eigenaktivität emotionale Stabilisierung und Entfaltung
  • Förderung eines Verantwortungsbewusstseins ,z.B. durch Rücksichtnahme auf das Tier
  • Aktivierung eigener Ressourcen
  • Spiegeln des eigenen Verhaltens durch sofortige, klare Reflexion des Tieres
  • Zurücknehmen eigener Bedürfnisse, Einstellen auf Bedürfnisse des Tieres
  • Regeleinhaltung (Umgangsregeln mit dem Hund)

Wahrnehmungsbereiche und Motorik:

  • Förderung von Grob- und Feinmotorik, Koordinationsleistungen und sensomotorischer Fähigkeiten aufgrund komplexer Abläufe im Umgang mit dem Tier
  • Motivation zur Bewegung
  • Stimulation durch Sinneserfahrung fast aller Wahrnehmungsbereiche in lebenspraktischem Bezug
  • Optimierung von Krafteinsatz, Kraftdosierung, Kraftaufbau ,z.B. beim Bürsten des Kaninchens, Streicheln des Hundes,etc.
  • Entspannung ,z.B. durch Körperwärme oder das Gefühl beschützt zu werden

Kognitive Fähigkeiten:

  • Förderung von Ausdauer und Konzentration, z.B. beim Bürsten des Kaninchens, bauen eines Hundespielzeuges usw.
  • Förderung von Körpersprache und Sprache ,z.B. Hund hört nur, wenn Mensch Kommando deutlich zeigt/ spricht
  • Förderung von Gedächtnisleistungen,Orientierung, Abstraktion u.v.m., z.B. durch das genaue Nachahmen von Bewegungen und Ausdruck, um bestimmtes Verhalten des Tieres zu provozieren

Warum Therapie mit Tieren?

Das Tier als therapeutischer Begleiter – Warum Tiere? Warum Hund? Warum Kaninchen/Huhn?

  • Tiere geben direkt Rückmeldung auf Verhalten!
  • Tiere bewerten nicht!
  • Tiere reagieren entsprechend ihren Bedürfnissen, Instinkten und Gewohnheiten. Hält man sich also an ihre „Regeln“, erkennt man schnell, wie verlässlich und sogar vorhersehbar sich Tiere verhalten.

Dadurch werden fast unbemerkt Sozialfähigkeiten wie Teambereitschaft, Kooperationswillen und –fähigkeit gefördert. Aber auch die Fähigkeit zur besseren Selbstwahrnehmung (Körpersprache) und Eigenreflexion (Verhalten) sowie Empathiebereitschaft (Gefühl) u.v.m. Bei der Arbeit mit den Tieren steht auf einmal nicht mehr das „Menschen- Problem“ im Vordergrund, sondern das Tier! Meine Bedürfnisse werden hinter die des Tieres gestellt!
Durch den Umgang mit dem Tier wird Verantwortung übernommen, dies ist für junge Menschen  ein wichtiger Schritt in der Persönlichkeitsentwicklung und für Erwachsene oft ein sehr wichtiges Gefühl des „wichtig sein“ und „gebraucht- werden“, „fähig sein“. Das Selbstwertgefühl wird gestärkt!

Die Tiere befriedigen grundlegende emotionale Bedürfnisse, wie das Gefühl von Nähe, Zuwendung und Angenommen zu sein. Natürlich werden auch fast alle unserer Wahrnehmungssinne im Umgang mit Tieren geschult. (fühlen, riechen, sehen, hören,…) Oft lassen sich therapiemüde Patienten, durch das neue Medium „Tier“, wieder auf Therapieinhalte ein!

Der Hund
Besonders Hunde scheinen die Gefühlswelt der Menschen anzusprechen und zugänglich zu machen. Durch die neutrale und unvoreingenommene Haltung des Hundes zum Partner Mensch kommt schnell und unverfälscht eine Beziehung zustande. Das liegt auch daran, dass der Hund keine Erwartungen an den Menschen stellt. Die unmittelbare , sprachfreie und nicht wertende Spiegelung des Verhaltens verhilft auf einfache und dennoch eindrucksvolle Weise zu Einsichten des Klienten über sich selbst und legt damit den Grundstock für Änderungen im Verhalten.

Möglichkeiten und Gestaltung von Bettenbesuchen

Als erstes muss abgeklärt werden,ob diese Besuche erwünscht sind. Es wäre wünschenswert wenn eine Fachkraft der Einrichtung beim Erstbesuch anwesend wäre um Reaktionen der Bewohner genau einzuschätzen.

Es gibt bei dieser Präsenz-Methode drei Personengruppen:

Kommunikation ist möglich – Bei Besuchten, die sich noch selber verständigen können,sollte das Tier erst neben dem Bett platziert werden,z.b.auf einem Stuhl.So kann ein erster ruhiger Kontakt hergestellt werden und der Besuchte kann selber das Voranschreiten des Besuches bestimmen.

Nonverbale Kommunikation ist möglich – Hierbei sollte man auf kleine,feine Zeichen der Besuchten achten. Auch hier sollte vorsichtig und langsam zum Besuchstier ein Kontakt hergestellt werden,und die Reaktionen des Besuchten mit Empathie beobachtet werden.

Keine Kommunikation ist möglich – Wenn keine Kommunikation mehr möglich ist,erfährt man über Verwandte und Biografien, ob Tiere gemocht wurden und wenn ja welche Tiere im Besonderen. Beim ersten Kontakt,am besten mit einer Fachkraft des Hauses merkt man an eventuellen Lauten,Weinen vor Freude,Blickfixierung aus Interesse,  auch am verändertem Atemrhythmus,oder Händen die sich entkrampfen und leicht führen lassen,ob der Tierbesuch als positiv empfunden wird.

Besuchsablauf

Die erste Aktion nach Betreten des Zimmers ist die Begrüßung des Besuchten. Ist diese nicht nach normalen Regeln nicht möglich,sollte die sogenannte Initialberührung stattfinden, dabei berührt man die Person sanft an Hand,Arm oder Schulter,sucht Blickkontakt und begrüßt die Person mit ruhiger Stimmlage. Danach sollte ein eventuell laufender Fernseher oder Radio leiser gestellt werden.Solche Schritte immer kommentieren,um mit dem Besuchten in Verbindung zu bleiben.

Zurück am Bett wird die Tierdecke auf das Bett gelegt,gefragt ob der Besuchte Lust auf einen Besuch hat und dann das Tier auf die Decke gesetzt.Wenn eigenständiges Streicheln nicht möglich ist,wird die Hand vorsichtig geführt.Alles freundlich und mit ruhiger Stimme kommentieren. Eine goldene Regel für Bettenbesuche ist der respektvolle Umgang mit den Besuchten. Es können auch gezielt Themen aus der Biografie angesprochen werden oder aus dem Tagesgeschehen. Man sollte also auch bereit sein ,mit Worten Bilder von der aktuellen Umwelt für den Besuchten zu schaffen.

Zum Ende des Besuchs wird sich verabschiedet,wieder mit einer Initialberührung.

Abstimmung und Festlegung der tiergestützten Therapie

  • Der Besuch sollte möglichst einmal pro Woche und immer am gleichen Wochentag stattfinden.
  • Die Zeitdauer sollte maximal eine Stunde betrage.
  • Optimal ist ein Besuchsdienst bei einem einzelnen Bewohner.
  • Wird der Besuchsdienst bei einer kleinen Gruppe von Patienten durchgeführt, sollte die maximale Gruppenstärke fünf Teilnehmer nicht überschreiten.
  • Der Hund/das Kaninchen  sollte sich während des Besuchsdienstes frei bewegen dürfen.
  • Vorbehalte bezüglich der Hygiene müssen ausgeräumt und eine Aufnahme des Tieres in den Hygieneplan angeregt werden.
  • Mit dem Personal sollte ein Austausch über eine mögliche Gefährdung durch den Hund stattfinden und die Aufnahme des Hundes in die Gefährdungsanalyse angestrebt werden.
  • Die für den Besuchsdienst infrage kommenden Bewohner werden nach biographischen Gesichtspunkten und nach unterschiedlichen individuellen Bedürfnissen und Interessen ausgesucht.
  • Die Auswahl des Ortes muss so getroffen werden, dass der Besuchsdienst störungsfrei ablaufen kann.
  • Es kann entweder das Zimmer des Bewohners oder ein möglichst reizarmer, nicht zu kleiner, freundlicher Raum sein, auch eine Abtrennung vom Aufenthaltsraum oder sogar der Garten sind mögliche Alternativen.
  • Die Funktion des Tieres während des Besuchsdienstes muss vorab klar sein. Sie sollte sich nach den Bedürfnissen der Bewohner richten.
  • Bewährt haben sich zum Beispiel Streicheln, kleine Spiele oder Aufgaben, das Füttern oder Verstecken von Leckerchen oder das Bürsten des Hundes.
  • Hier sind Flexibilität, Sensibilität und gute Beobachtungsgabe gefragt.
  • Für eine spätere Erfolgskontrolle ist die Festlegung von Beobachtungskriterien in Bezug auf Verhalten, Belastbarkeit, Gefühlsäußerungen oder Konzentrationsfähigkeit der Patienten unerlässlich.
  • Im Verhinderungsfall (Urlaub, Krankheit) wird der Besuchsdienst rechtzeitig abgesagt.

Ablauf des tiergestützten Besuchsdienstes

  • Definition und Ziele des tiergestützten Besuchsdienstes.
  • Der tiergestützte Besuchsdienst ist ein professioneller Besuch in einem Alten- oder Pflegeheim unter Einbeziehung eines für diesen Zweck geeigneten Tieres.
  • Er dient dazu, die Situation Demenzkranker in mehrfacher Hinsicht zu verbessern, zum Beispiel:  Abwechslung im Alltagsgeschehen zu bieten.
  • freudige Erwartung auf den Besuchsdienst zu wecken, Erinnerungen und Emotionen wachzurufen, dabei helfen Gefühle zuzulassen und auszuleben, das Selbstwertgefühl zu stärken, Aufmerksamkeit und Konzentration zu steigern, das Langzeitgedächtnis zu aktivieren, feinmotorische Fähigkeiten zu fördern

Die individuelle Vorbereitung des tiergestützten Besuchsdienstes

Vorab zu Hause:

  • Sich einstellen auf eine Einzelperson oder eine Gruppe (3 bis maximal 5 Personen)
  • Namen und Biographie(n) ins Gedächtnis rufen oder nachlesen

Vorgehensweise planen:

  • Welche Aktivität soll heute angeboten werden?
  • Was soll das Tier dabei leisten?
  • Tasche mit nötigen Utensilien wie Nachweisheft, in dem Besuche notiert und gegengezeichnet werden.
  • Hundedecke, Handtuch zum Reinigen der Pfoten, Wasserschüssel, Leckerli und Spielzeug packen

In der Einrichtung:

  • Mögliche Störfaktoren ausschalten
  • Radio oder Fernsehen ausschalten
  • Bei der Arbeit in der Gruppe Stühle und Rollstühle im Kreis so anordnen, dass Tier und Therapeut sich gut dazwischen bewegen können.
  • Bewohner zu den vorgesehenen Plätzen führen.
  • In die Mitte eine Decke für das Tier legen, damit er im Blickfeld aller Bewohner ist.

Durchführung des Besuchsdienstes

  • Begrüßung der Teilnehmer mit Namen;auch das Tier wird vorgestellt.
  • Auf Augenkontakt achten.
  • Wenn nötig Teilnehmer zum Streicheln auffordern, aber akzeptieren, wenn sie der Aufforderung nicht nachkommen.
  • Die weitere Arbeit mit dem Tier geschieht nach den Bedürfnissen und der augenblicklichen Situation der Bewohner.
  • Entscheiden, ob die geplante Aktivität aufgrund des aktuellen Zustandes der Teilnehmer durchzuführen ist oder eine Alternative besser wäre.
  • Während des Besuches werden die Bewohner gut beobachtet, möglicherweise muss auf negative Reaktionen wie Angst oder Ablehnung entsprechend reagiert werden.

Bei der Kommunikation mit den Bewohnern gilt:

  • Vermeide Konfrontation! • Handle zweckmäßig!
  • In der Kommunikation  mit Demenzkranken müssen bestimmte Regeln eingehalten werden:   Ablenkung ausschalten
  • Augenkontakt aufrechterhalten
  • In kurzen und einfachen Sätzen sprechen und das Gesagte mit Mimik, Gestik und Berührungen unterstützen
  • Nicht in Bildern sprechen

Im Bereich der nonverbalen Kommunikation sind ebenfalls Regeln einzuhalten:

  • Auf Blicke, Gesten und Gesichtsausdruck achten und versuchen, diese zu interpretieren
  • Auf die nonverbal ausgesandten Empfindungen und Gefühle eingehen
  • Positive Gefühle zeigen zum Beispiel durch Lächeln oder Nicken

Verhaltensregeln für einen erfolgreichen Besuchsablauf sind:

  • Respekt vor dem Kranken bewahren und stets seine Persönlichkeit achten
  • Bewohner nicht überfordern
  • Stress und Unruhe vermeiden, denn beides überträgt sich auf Menschen und Hund
  • Sicherheit und Ruhe ausstrahlen
  • Eher sanfte Bewegungen einsetzen
  • Und immer: Humor behalten

Grundsätzlich gilt es zu beachten:

  • Bei aktiven tiergestützten Aktivitäten sollten die Aufgaben in Einzelschritten erklärt und/oder demonstriert werden und anschließend bei Bedarf Hilfe und Unterstützung angeboten werden.
  • Die Aktivitäten des Tieres sollen erklärt und kommentiert oder ein Gespräch darüber angeregt und Fragen zum Geschehen gestellt werden.
  • Im Interesse von Mensch und Tier  sind kleine Pausen einzulegen und auch immer wieder Versuche zu unternehmen, die ruhige, entspannte Atmosphäre, die durch die Anwesenheit des Tieres  entsteht, wirken zu lassen.
  • Während das Tier sich ausruht, soll erneut versucht werden, ins Gespräch zu kommen.
  • Möglichkeiten bietet hier zum Beispiel der biographische Ansatz (Wie hieß der Hund, den der Patient in früheren Jahren hatte?) oder das Erraten von Hunderassen oder Hundenamen.
  • Wenn einzelne Teilnehmer sich zurückziehen, soll versucht werden, sie durch namentliches Ansprechen und durch Blickkontakt wieder einzubeziehen.
  • Zwar soll immer auf einzelne Personen eingegangen werden, aber dabei gilt es, auch die Gruppe im Auge zu behalten.
  • Während des gesamten Besuches muss das Besuchsteam flexibel bleiben, also in der Lage sein, den Ablauf wenn nötig abzuändern und Abweichungen zuzulassen